Atemlos …

… oder mit anderen Worten: Ich kann nicht mehr …

Schon viele Jahre lebe ich mit meinen diversen Schwierigkeiten im Kontakt mit meinen Mitmenschen. Unbemerkt. Oder nur ansatzweise bemerkt. Abgetan als „Seltsamkeit“. Habe mir mit der Zeit – mit dem „Älter werden“ – mehr oder weniger hilfreiche Strategien gesucht – und eventuell auch gefunden – um meinen sehr sozialen Alltag so gut wie möglich überleben zu können. Und vor allem um so wenig wie möglich oder bestenfalls gar nicht aufzufallen. Denn das wäre fatal. Mein gesellschaftliches und vielleicht auch berufliches Ende. Gedanken, die mich fast jeden Tag begleiten. Bloß nicht auffallen. Einfach exisitieren. Einfach funktionieren. Irgendwie geht das schon. Irgendwie muss das ja. Scheinbar sind meine bisherigen Anpassungsleistungen sehr gut gelungen. Sonst wäre ich wohl kaum eine staatl. anerk. Erzieherin mit Gruppenleitunsfunktion. Erstaunlich, wenn man bedenkt was die Gesellschaft so denkt. Was wir Autisten angeblich alles nicht schaffen, habe ich dennoch geschafft. In einem sozialen Beruf arbeiten? Unmöglich, sagen NT’s, wo wir doch sozial nichts können. Mit Kindern arbeiten? Unmöglich. Solche Fähigkeiten werden uns abgesprochen. Aufgrund von simplen Klischees. Meine Schwierigkeiten mit anderen Menschen und im allgemeinen sozialen Umgang sind für andere oft gar nicht bzw. so ohne Weiteres erkennbar. Wichtig ist es nur – und das habe ich während meiner Ausbildung gelernt – mir die Fähigkeit anzueignen, andere Personen anzuschauen wenn ich mit diesen spreche. Neugierde zeigen. Interesse am Gegenüber. Könnte mein Spiegel erzählen – er könnte ein ganzes Buch füllen über meine Abende unter der Dusche und von meinen gezogenen Grimassen. Aber wer weiß das schon? Was hinter der Fassade dieser zurückhaltenden und stillen jungen Frau steckt? Doch je stärker von mir Flexibilität abverlangt wird, was in meinem Beruf nun wirklich keine Seltenheit ist, desto deutlicher wird meine Überforderung. Ich komme ins Strudeln. Vergesse Sachen. Reagiere falsch. Reagiere anders. Kollegen verstehen meine Verhaltensweisen nicht und zu allem Überfluss sprechen sie mich auch noch darauf an. Schlimmer kann es gar nicht kommen. Der soziale Kontakt zu meinen Kollegen und den Eltern mag bisweilen etwas unbeholfen und komisch wirken, aber mehr wird von ihnen selten wahrgenommen. Das ich „anders“ sein könnte schon mal gar nicht. Eher unkollegial oder so. Ich weiß noch nicht mal wie das geht – unkollegial sein.

Ich stehe jeden Tag, 7Stunden und 30 Minuten ohne Überstunden, 5 Tage die Woche unter Strom und erlebe meinen Tag mit einer großen Anspannung, welche mich schnell erschöpft. Und wenn ich erschöpft schreibe, dann meine ich das auch so. Es ist einfach das „Zu-viel“ an sozialen Kontakten zu Kindern, Eltern, Kollegen. Es kostet Konzentration. Viel Konzetration und irgendwann fängt sie an zu schwinden, es wird anstrengend, stressreich und überfordernd.Aber das darf ich nicht sagen. Ich kann nicht mehr. Weder bei meiner Mutter, noch bei meiner restlichen Familie und schon mal gar nicht auf meiner Arbeit. Es wäre ja ein Zeichen von Schwäche, Schwäche die es nicht geben darf. Nein. Ich muss funktionieren – das erwarten die anderen um mich herum offensichtlich von mir. „So ist das eben.“, „Mir geht es ja auch nicht anders.“, „Da müssen wir durch.“. Und ich könnte schreien. „Da müssen WIR durch?“. WIR? Wenn du da durch willst, dann geh – aber ohne mich. Ich steige aus. Manchmal möchte ich sie anbrüllen. sie fragen, ob sie alle irgendwie nicht mehr ganz dicht sind. Aber dann besinne ich mich, gehe aufs Klo. 5 Minuten Ruhe tanken. 5 Minuten Ruhe für die nächsten 2 oder 3 Stunden sammeln. So komme ich über den Tag. Irgendwie. Aber fragt jetzt nicht nach dem „Wie“.

Am Anfang half dieses „Luft holen“ noch, aber mittlerweile fällt es mir jeden Tag schwerer, die vielen Erwartungen zu erfüllen. Hier will ein Kind etwas, da falle ich gerade bei einer Kollegin in Ungnade. Und ich? Ich muss funktionieren als gäbe es die vielen Stressfaktoren nicht, die mich erdrücken und einengen. Außerdem muss ich vorsichtig sein, was ich sage. Vor allem auf der Arbeit. Die Wahrheit wollen die meisten Menschen nicht hören. Oder würden sie mir nicht glauben.

Doch ich muss weitermachen, jeden Morgen aufstehen – jeden Morgen auf die Arbeit gehen, auch wenn die innerliche Erschöpfung immer spürbarer und intensiver wird. Ich stehe unter Druck. Autistisch sein auf meiner Arbeit – das darf ich nicht. Es weiß schließlich keiner. Verstehen, wie schwer es ist 7h30 zu kompensieren und alles dafür zu tun nicht aufzufallen, das kann nur ein Mensch der ins Spektrum gehört.

Jetzt werden viele sagen oder denken „Warum hat sie sich dann diesen Job ausgesucht?“ Ja warum? Es gibt eine ganz einfache Antwort: Weil ich meinen Job liebe. Weil ich mir nicht vorstellen kann, etwas anderes zu machen, wenngleich die Chancen groß wären, dass dieser andere Beruf ruhiger sein könnte. Elementarpädagogik gehört zu meinem Spezialinteresse und die Arbeit mit Kindern macht mir Spaß. Trotzdem wünsche ich mir so sehr, dass aus diesem „Zu-viel“ an täglichen Stressfaktoren wieder eine zu bewältigende und gleichbleibende Belastung wird. Eine, mit der ich klarkomme. Aber dafür benötige ich langsam aber sicher Unterstützung. Unterstützung, die mich irgendwie entlastet. Ich arbeite in einer Einrichtung. In einer Einrichtung in der nicht selten auch von Inklusion die Rede ist. Aber was wäre, wenn ich heute sagen würde, dass ich Autistin bin? Dürfte ich bleiben? Müsste ich gehen? Würden sie mir ÜBERHAUPT glauben? Oder weiterhin verlangen, dass ich mich anpasse und einfach nur funktioniere, weil es in einem Kiga-Alltag nicht anders geht?
Ich wüsste gerne ob sie mich so annehmen würden, wie ich bin, obwohl ich nicht ihrer Norm entspreche, sondern anders bin. Besonders.

Aber wenn ich nichts sage – wenn ich mich nicht traue etwas zu sagen, einfach weil ich Angst habe vor möglichen Konsequenzen, werden sie mich weiter fordern, überfordern und meine Grenzen, welche ich schon längst hinter mir gelassen habe und selbst schon gar nicht mehr wahrnehmen kann, niemals respektieren. Weder meine, noch die eines anderen…

Ich kann nicht mehr.

 

 

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