Kindheit – Spezialinteressen und Routinen


Auch als Kind hatte ich schon Spezialinteressen und Routinen, welche aber mehr ider weniger „unterirdisch“, also tief in mir drin gespeichert und abgespielt wurden. Es gab nur gewisse Dinge die ich aß und sortierte (unbewusst) meinen Tagesablauf. Ungeplante Dinge ließen sich nur sehr schwer einbauen, sie wühlten mich innerlich auf, ich konnte es einfach nicht leiden, wenn sich an meinen inneren Routinen etwas änderte.
Schwierigkeiten mit Veränderungen hatte ich auch. Als Kind reagierte ich mich heftigen Ausbrüchen in Form von Kopf auf den Boden oder Türen knallen. Ich konnte es schon damals nicht leiden, wenn mein Tagesablauf unvorhersehbar war. Zu Beginn der Schulzeit lief ich mit meinem Bruder in die Schule. Er ist ein Autonarr und betrachtete jedes potenziell interessante Auto genauer. Das nahm auf dem morgendlichen Schulweg natürlich eine Menge Zeit in Anspruch. Meinem Bruder machte das nie etwas aus – mir dafür umso mehr. Deshalb geriet eines Tages meine Welt in Unordnung. Wieder einmal betrachtete er sich ein Auto näher, die Zeit lief und lief und da ich gerne pünktlich vor Schulbeginn da war, geriet ich ziemlich schnell in Stress. Er meinte, ich könne natürlich vorgehen, aber das wollte ich auch nicht. Wäre ja auch wieder eine Veränderung gewesen. Also blieb ich bei ihm, wartete und wartete und schließlich kamen wir zu spät an der Schule an. Mir war es ohnehin schon unangenehm genug, dass ich zu spät war und zu allem Überfluss fand ich dann nicht einmal meine Klasse im festgelegten Raum vor. Nun war es endgültig vorbei, mein Stresspegel riesengroß und so versteckte ich mich zwei lange Schulstunden auf der Schultoilette. Der ganze Tag fühlte sich chaotisch an und ich hatte Angst. Diese kleine Kleinigkeiten, dieses zu-spät-kommen haben meine ganze Welt durcheinandergebracht. Doch das war nicht die einzige Situation die meinen Stresspegel nach oben steigen ließ. Ein anderer Sitzplatz, die einzige Freundin krank, Vertretungen, andere Lehrer, Ausfallstunden. All das und noch viel mehr sorgte dafür, dass mein Stresspegel in der Schule dauernd auf rot stand. So hatte ich die Angewohntheit nach der Schule in mein Zimmer zu verschwinden und stundenlang aus dem Fenster zu schauen. Für meine Mutter nicht nachvollziehbar, für mich aber sehr beruhigend und es half mir dabei, meine innere Ordnung wieder herzustellen.
Auch bestimmte Themen interessierten mich schon damals. Straßenkarten, Weltkugeln, Landkarten haben mich schon damals fasziniert ebenso wie schon immer Schildkröten meine große Leidenschaft sind. Später kamen dann noch Romane, Wörter, Buchstaben, Sprüche und deren „Macht“ dazu.
Asperger-Kinder haben oft ein besonders starkes Interesse an einem bestimmten Thema. Das Interessengebiet kann sehr ungewöhnlich sein. Es kann auch eine besonders ausgeprägte Beschäftigung mit einem altersüblichen Interessengebiet sein.

Diese Spezialinteressen hatten für mich mehrere Funktionen:
– in erster Linie macht es mir natürlich Spaß, mich mit diesen Themen zu beschäftigen
– sie halfen mit herunterzufahren, mich von meiner Umgebung zu entspannen und sorgten dafür, dass ich mich sicherer fühlte
– ich hatte etwas, auf dass ich mich konzentrieren konnte, etwas, was mich ausmachte und konnte dadurch eine eigene Identität entwickeln
– ich hatte etwas, über das ich erzählen konnte

Meine Spezialinteressen (die sich natürlich im Laufe des Lebens und der Entwicklung wandeln können, sind für mich eine Quelle des Wissens und Vergnügens. Sie gestalten meine Identität und helfen mir mein bisher aufgebautes Selbstbewusstseins stabil zu halten.

Schon als Kind waren Routinen und Spezialinteressen ein Rettungsanker für mich, auch wenn ich mir dessen noch nicht bewusst war.

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